Interview: Muss ich im Urlaub für den Chef erreichbar sein?

Muss ein Mitarbeiter für den Chef im Urlaub erreichbar sein und verfällt der Urlaubsanspruch, wenn jemand dauerhaft krankgeschrieben ist?

Reinhold Brandt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Im Interview mit JOB UND BILDUNG ONLINE beantwortet er die wichtigsten Fragen rund um den Urlaub.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Muss ein Mitarbeiter während seines Urlaubs für den Chef erreichbar sein?

Reinhold Brandt: Erneut klare Antwort: NEIN! Urlaub ist Urlaub. Das Bundesarbeitsgericht sagt, dass es dem Arbeitnehmer uneingeschränkt zu ermöglichen ist, die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Darf das Unternehmen seinen Angestellten aus dem Urlaub zurückholen?

Brandt: Ebenso wenig wie das Unternehmen eine Urlaubsgewährung einseitig widerrufen darf, darf es seinen Angestellten aus dem Urlaub zurückrufen. Auch das ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Wenn er den Urlaub gewährt hat, ist der Arbeitgeber daran ohne Wenn und Aber gebunden.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Ist es erlaubt, während des Urlaubs einen anderen Job auszuüben?

Brandt: Eher nein. § 8 des Bundesurlaubsgesetzes schreibt ausdrücklich vor, dass der Arbeitnehmer während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten darf. Damit wird zwar nicht jede anstrengende Tätigkeit verboten. Man darf beispielsweise auch Nachbarschaftshilfe leisten. Es ist aber davon auszugehen, dass die Annahme eines anderen Jobs zum Zwecke des Geldverdienens in der Regel dem Erholungszweck des Urlaubs widerspricht und mithin nicht zulässig ist.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Kann der Chef einen Mitarbeiter abmahnen, wenn er unverschuldet zu spät aus dem Urlaub zurückkommt?

Brandt: Schwierige Frage. Abgemahnt werden können Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis. Und eine verspätete Urlaubsrückkehr ist sicherlich eine Pflichtverletzung. Allerdings hier unverschuldet. Es stellt sich also das Problem, ob auch schuldlose Pflichtverletzungen abmahnfähig sind. Das ist umstritten, letztendlich aber wohl zu bejahen, weil das Bundesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang allein auf einen objektiven Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten abstellt. Nach meiner Meinung ist das Ganze aber eher theoretischer Natur, da ein verständiger Arbeitgeber in diesem Fall keine Abmahnung aussprechen würde und, wenn doch, eine solche Abmahnung jedenfalls zur Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung sicherlich ungeeignet wäre.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer im Urlaub krank wird?

Brandt: Krankheit und Urlaub schließen sich aus. Wenn ein Arbeitnehmer im Urlaub krank wird, ist ihm daher zu raten, sich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Die so nachgewiesenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit werden nicht auf den Urlaub angerechnet. Der durch Krankheit ausgefallene Urlaub bleibt dem Arbeitnehmer also erhalten. Er ist später, wenn der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist, nachzugewähren. Das erfordert dann einen neuen Urlaubsantrag.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Verfällt der Urlaubsanspruch, wenn ein Mitarbeiter dauerhaft krankgeschrieben ist?

Brandt: Grundsätzlich nein. Allerdings ist die Rechtslage nicht ganz einfach. Bei sehr langwierigen Erkrankungen gehen die deutschen Arbeitsgerichte inzwischen davon aus, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt. Wer also beispielsweise seit 2014 durchgängig arbeitsunfähig krank ist, hat den Urlaubsanspruch für das Jahr 2014 seit Ablauf des 31.03.2016 verloren; der Urlaub für 2015 steht ihm dagegen noch in voller Höhe zu.

Ergänzen muss ich aber, dass diese Regelung an sich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt. Fast alle Arbeits- und Tarifverträge sehen ja einen längeren Urlaubsanspruch vor. Der so genannte „vertragliche Mehrurlaub“ (also der Teil des Jahresurlaubs, der über das gesetzliche Minimum von vier Wochen hinausreicht) kann unter Umständen auch bei Krankheit schon sofort am Ende des Urlaubsjahres verfallen. Das muss dann aber vertraglich geregelt sein; es lohnt also ein Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Hat ein Arbeitnehmer das Recht auf Auszahlung seines Resturlaubs, wenn das Arbeitsverhältnis endet?

Brandt: Ja. Der Begriff „Urlaubsabgeltung“ dürfte jedem geläufig sein. Das Bundesurlaubsgesetz schreibt zwingend vor, dass der Urlaub abzugelten – also auszuzahlen – ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Auf die Urlaubsabgeltung besteht also ein Rechtsanspruch. Bei der Durchsetzung dieses Anspruchs hat der Arbeitnehmer aber eventuell Fristen zu beachten. Die meisten Tarif- und Arbeitsverträge sehen sogenannte Ausschlussfristen von zumeist drei oder sechs Monaten vor, innerhalb derer alle Ansprüche – auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, sofern mit der letzten Verdienstabrechnung nicht korrekt erfüllt – geltend gemacht werden müssen.

Im ersten Teil des Interviews mit Arbeitsrechtler Reinhold Brandt erfährst du, ob ein bereits gewährter Urlaub wieder abgesagt werden darf und ob eine temporäre Urlaubssperre rechtens ist.