Urlaub: Welche Rechte haben Arbeitnehmer?

Muss ein Mitarbeiter im Urlaub für den Chef erreichbar sein und was passiert mit dem Urlaubsanspruch, wenn jemand dauerhaft krankgeschrieben ist?

Reinhold Brandt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. In seinem Blog schreibt er über verschiedene arbeits- und zivilrechtliche Themen. Im Gespräch mit JOB UND BILDUNG ONLINE beantwortet er die wichtigsten Fragen rund um den Urlaub.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Herr Brandt, wie viele Urlaubstage stehen einem Arbeitnehmer zu?

Reinhold Brandt: Das ist unterschiedlich und hängt vom jeweiligen Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ab. Der gesetzliche Mindesturlaub, der jedem zusteht, beträgt bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage, umgerechnet also vier Wochen.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Aus welchen Gründen darf der Chef den Urlaubsantrag ablehnen?

Brandt: Wenn, so sagt das Gesetz, „dringende betriebliche Belange“ dem Urlaub entgegenstehen, also zum Beispiel personelle Engpässe oder saisonaler Hochbetrieb. Außerdem kann der Urlaubsantrag auch bei vorrangigen Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer abgelehnt werden.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Darf ein Unternehmen für einen gewissen Zeitraum eine „Urlaubssperre“ verhängen?

Brandt: Wenn es vernünftige Gründe dafür gibt: Ja, dann darf es das. In manchen Betrieben gibt es zu bestimmten Jahreszeiten ja auch immer noch Betriebsferien. Natürlich muss das Unternehmen dabei die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beachten, wenn es einen solchen gibt. Ohne eingeführte Betriebsferien wird eine Urlaubssperre wohl „dringende betriebliche Belange“, wie soeben angesprochen, voraussetzen; sie steht also nicht im freien Belieben des Arbeitgebers.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Was passiert, wenn mehrere Mitarbeiter im selben Zeitraum Urlaub haben möchten?

Brandt: Dann muss der Chef, wenn er nicht allen Urlaubswünschen gleichzeitig nachkommen kann, nach sozialen Gesichtspunkten eine Auswahl treffen. Auswahlgesichtspunkte können zum Beispiel sein: das Lebensalter, das Vorhandensein schulpflichtiger Kinder, der Gesundheitszustand oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Zu berücksichtigen sind auch immer die Vorjahresregelungen; wenn möglich, sollten nicht immer dieselben Arbeitnehmer den Vorzug erhalten.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Besteht ein Anrecht auf Urlaub während der Schulferien oder an Weihnachten, wenn der Mitarbeiter Kinder hat?

Brandt: Grundsätzlich ja. Aber auch dann können unter Umständen dringende betriebliche Belange oder vorrangige Urlaubswünsche anderer entgegenstehen.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Kann ein Unternehmen den zuvor gewährten Urlaub wieder absagen?

Brandt: Klare Antwort, die manchen überraschen wird: NEIN! Ein Recht des Arbeitgebers, den gewährten Urlaub nachträglich wieder zu streichen, gibt es nicht. Es besteht für ihn nur die Möglichkeit einer einvernehmlichen Regelung. Der Chef muss seinen Arbeitnehmer also dazu überreden, einer Urlaubsverlegung zuzustimmen. Wenn der sich weigert, ist das Thema durch. Ab und an kann man zwar lesen, dass der Arbeitgeber in echten Notfällen auch zum einseitigen Widerruf des Urlaubs berechtigt sein soll. Ich halte das aber für reine Theorie und habe einen derart extremen Fall in meinen 20 Jahren arbeitsrechtlicher Praxis noch nie erlebt.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Muss der Arbeitgeber die Kosten, die dem Mitarbeiter durch einen kurzfristig abgesagten Urlaub entstanden sind, übernehmen?

Brandt: Da der Arbeitgeber zu einer einseitigen Urlaubsabsage nicht berechtigt ist, stellt sich diese Frage überhaupt nicht. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine einvernehmliche Regelung treffen, sollte man diesen Punkt aber natürlich nicht vergessen. Der Arbeitgeber wird dann die Kosten übernehmen müssen, weil die Absage des Urlaubs ja von ihm veranlasst wird.

JOB UND BILDUNG ONLINE: Bis wann muss ein Arbeitnehmer Resturlaub aus dem Vorjahr nehmen, bevor er verfällt?

Brandt: Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil es hier unterschiedliche Regelungen gibt. Ist ein Arbeitsverhältnis tarifgebunden, muss man sich den entsprechenden Tarifvertrag anschauen. Manchmal – wenn auch selten – findet sich eine einschlägige Regelung auch im Arbeitsvertrag. Was viele aber nicht wissen: Im Prinzip gibt es überhaupt keinen Rechtsanspruch auf Übertragung des Resturlaubs auf das nächste Kalenderjahr. Vielmehr bestimmt das Bundesurlaubsgesetz, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Und das bedeutet, dass der Urlaub im Regelfall verfällt, wenn er bis zum Jahresende nicht genommen ist. Die Übertragung auf das Folgejahr stellt gesetzestechnisch einen Ausnahmetatbestand dar, der nur eingreift, wenn der Urlaub aus persönlichen (meist krankheitsbedingten) Gründen nicht genommen werden konnte oder, obwohl beantragt, aus dringenden betrieblichen Gründen nicht gewährt worden ist. Nur dann, wenn eine dieser Voraussetzungen gegeben ist, wird der Resturlaub automatisch übertragen und kann noch im Folgejahr genommen werden. Dies dann in der Regel bis zum 31. März. Manche Tarifverträge sehen hier auch längere Zeiträume vor.

Ergänzen muss man noch, dass diese gesetzlichen Regelungen nur gelten, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Denn Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers – nicht aber zu seinem Nachteil – sind erlaubt. Kein Arbeitnehmer ist also gehindert, seinen Chef auf eine voraussetzungslose Urlaubsübertragung oder einen längeren Übertragungszeitraum anzusprechen. Wenn der Chef zustimmt, ist das bindend.

Im zweiten Teil des Interviews erfährst du, ob du für deinen Chef auch im Urlaub erreichbar sein musst und ob dein Urlaubsanspruch verfällt, wenn du dauerhaft krankgeschrieben bist.