Heike Steffen, Personalreferentin bei Drees & Sommer, über die Tendenz in Stellenanzeigen Bewerber mit Du anzusprechen, den Beweggründen der Firmen und wie Bewerber beim Höflichkeits-Roulette Haltung bewahren.
Frau Steffen, früher wurde die informelle Ansprache nur in Ausbildungsplatz- oder Praktikumsangeboten verwendet. Die Firmen wollten hipper und moderner wirken. Stecken dieselben Gründe hinter der zunehmenden Tendenz, potenzielle Bewerber in allgemeinen Stellenanzeigen zu duzen?
Diese Tendenz ist zunehmend in der Kreativbranche zu finden. In diesem Wirtschaftszweig passt diese Vorgehensweise auch zu den Agenturen beziehungsweise Unternehmen. Drees & Sommer ist ein Immobilienberatungs- und Projektmanagementunternehmen, für unsere Branche ist das Sie – unabhängig vom Alter – in Deutschland Standard und gilt als ein Zeichen von Seriosität und Neutralität. Das bedeutet keineswegs ein geringeres Maß an Innovationskraft.
Inwieweit hat die zunehmende Anzahl an Start-ups den Trend zum Du beeinflusst?
Wir haben bei diesem Thema in den letzten Jahren kaum Veränderungen bemerkt. Kleinere Firmen mit einer entsprechenden Klientel nutzen jedoch oft das grundsätzliche Du als Ausdruck ihrer Unternehmensphilosophie und tragen diese damit auch an ihre potenziellen Kunden weiter.
Viele Bewerber stellt eine locker formulierte Stellenanzeige vor ein Problem. Sollen sie in ihrer Bewerbung beim höflichen Sie bleiben oder die informelle Ansprache übernehmen?
Die formelle Ansprache ist nach wie vor die beste Variante bei einer offiziellen Bewerbung.
Kann ein Du bzw. Sie an falscher Stelle, die Chance auf den Job kosten? Welche Möglichkeiten hat ein Bewerber dieses Fettnäpfchen zu umgehen?
Grundsätzlich sollten sich Bewerber an allgemeingültige Höflichkeitsregeln halten. Das gilt auch für das Du oder Sie. Neueinsteiger warten am besten zunächst ab, ob sie selbst geduzt werden bzw. bis ihnen das Du angeboten wird. Bei Drees & Sommer haben die Mitarbeiter mit Bauherren, Vertretern der öffentlichen Hand und Investoren zu tun. Aus diesen Gründen wird auch im Vorstellungsgespräch zunächst erwartet, dass der Bewerber sich auf diesem Parkett sicher bewegt. Das Vorstellungsgespräch ist die erste Chance, diese Fertigkeit zu zeigen.
Was erwartet einen Job-Interessenten beim Vorstellungsgespräch? Kann er sich darauf einstellen, dort ebenfalls geduzt zu werden?
Dies ist grundsätzlich abhängig von der Branche und der Unternehmensphilosophie, bei Drees & Sommer ist gerade am Anfang das Sie obligatorisch. Meist ist sogar bei Unternehmen, in denen sich überwiegend geduzt wird, ein Sie beim Vorstellungsgespräch obligatorisch. Erst wenn man sich kennengelernt hat und der Mitarbeiter eingestellt ist, wird zum Du übergegangen.
Es gibt Karriere-Coaches, die der Meinung sind, dass eine Stellenanzeige, in der ein Bewerber mit Du angesprochen wird, speziell auf jüngere Bewerber abzielt. Ist eine solche versteckte Vorabauswahl Ihrer Einschätzung nach eine heimliche Diskriminierung und verstößt damit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Unter Umständen kann dies eine Diskriminierung bedeuten. Aber auch hier ist ganz genau die Firmenkultur zu berücksichtigen.
Was halten Sie von der These einiger Arbeitsmarktexperten, dass die Du-Form in einer Stellenanzeige auf einen geringen Verdienst hinweist? Ganz nach dem Motto: „Wir sind eine Familie, es geht uns nicht ums Geld.“
Diese These kann ich nicht bestätigen. Es ist vielmehr eine Frage der Firmenkultur, der Kundenlandschaft und dem Branchenumfeld, in dem sich das Unternehmen bewegt. Ein Du in einer Stellenanzeige ist kein Hinweis auf einen geringen Verdienst, sondern vielmehr ein Signal für die Persönlichkeit, die vom Bewerber erwartet wird und ein Indiz für die Philosophie, innerhalb derer er später arbeitet.
Zur Person: Heike Steffen ist seit 2011 als Personalreferentin bei Drees & Sommer tätig. Seit 2013 ist sie für die Themen Personalmarketing und Recruiting verantwortlich. Neben dem Auf- und Ausbau des Personalmarketings arbeitete sie unter anderem bei der Einführung einer eRecruitingsoftware für Drees & Sommer mit. Außerdem konzipierte Heike Steffen 2012 ein Praktikanten- und Studentenbindungsprogramm, welches sich zu einer wichtigen Rekrutierungsquelle entwickelt hat. Sie begleitet seit 2014 europaweit das Personalmarketing und unterschiedliche Recruitingprojekte von Drees & Sommer.